Sinnvolle Pflichtenhefte sparen Zeit und Geld

Tuesday 16.05.2006 11:58 Uhr
Rubrik: News

Ein Unternehmen hat die Entscheidung getroffen, dass eine neue Software eingeführt werden soll. Die erste Aufgabe besteht darin, ein Dokument zu erstellen, das alle Anforderungen detailliert auflistet. Ein Projektteam wird zusammengestellt und ein Unternehmensberater zu Rate gezogen. Nach viel Arbeit ist das Kind geboren: das Pflichtenheft ist fertig.

Ernsthaft – die meisten Firmen beginnen die Suche eines neuen Programms mit der Zusammenstellung eines Pflichtenheftes. Leider sind die Pflichtenhefte meist nur eine Aneinanderreihung der gewünschten Features, die dem Softwarelieferanten in keiner Weise vermitteln, was für den Interessenten wirklich wesentlich ist.

Das Resultat: eine Auflistung von mehr oder weniger eindeutigen Schlagworten, die dem offerierenden Lieferanten keinerlei Hintergrund vermitteln und die lediglich mit „JA“ oder „NEIN“ beantwortet werden können. Ausschlaggebend ist die Anzahl der „JAs“: wenige „JAs“ bedeutet das Ausscheiden des anbietenden Lieferanten nach Einreichung des Pflichtenheftes; viele „JAs“ bedeutet ein Präsentationstermin. Am Ende entsteht eine Uneinigkeit zwischen den Parteien, weil viele der „JAs“ in der Präsentation sich nicht bewahrheiten, oder sich herausstellt, dass der präsentierende Lieferant nicht die Lebensnotwendigkeit gewisser Anforderungen der interessierten Partei erkannt hat. Um ein Pflichtenheft für beide Seiten sinnvoll zu gestalten, sollten folgende Punkte Beachtung finden:

1. Stellen Sie Ihr Unternehmen vor

Erstellen Sie ein Firmenprofil (max. eine Seite), das kurz Ihre Unternehmensstruktur, die Kernaktivität, den Markt sowie Ihre Konkurrenten beschreibt. Verweisen Sie auf Ihre Webpage, die bereits einen Großteil der erforderlichen Informationen enthält und ergänzen Sie Details. Als Berater sollten Sie sowohl ein Profil Ihres eigenen Unternehmens sowie ein Profil der Firma, die Sie vertreten, erstellen.

2. Erläutern Sie Ihren Betriebsprozess und die Rolle, die die neue Software übernehmen wird

Hierbei handelt es sich um den schwierigsten Teil bei der Erstellung eines Pflichtenheftes. Meist beschränkt sich der Verfasser auf kryptische Fragen, wie beispielsweise:

Mehrwährung (Ja / Nein)

Addresstyp (Ja / Nein)

Diese und viele weitere Features werden dem Lieferanten seitenweise vorgelegt. Dieser kann in den seltensten Fällen etwas damit anfangen, da er nicht einschätzen kann, wie diese Features im Betriebsprozess um- bzw. eingesetzt werden. Für die Mehrwährungsfähigkeit sollte man wissen, ob man in Fremdwährung ein- oder verkauft oder ob Fremdwährung terminiert, reserviert, etc. Beschreibt man den gesamten Betriebsprozess, so kann ein guter Lieferant die Mindestvoraussetzung der erforderlichen Funktionalitäten von sich aus erkennen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, welcher Teil des Betriebsprozesses von der neuen Software abgedeckt werden soll und für welche andere Software (Name, Hersteller, Version, etc.) Interfaces benötigt werden. Dabei sollte, sofern es sich nicht um Standardsoftware handelt, eine ausführliche Beschreibung der Legacy-Systeme beigefügt werden.

3. Schildern Sie, was Sie von Ihrem Lieferanten erwarten

Häufig wird der Lieferant in die Implementierungsphase mit einbezogen. Beschreiben Sie Ihren geplanten Implementierungsprozess, von der Zeit- und Ressourcenplanung, bis zu den Aufgaben, die der Lieferant übernehmen sollte. Fordern Sie Ihr Gegenüber auf, eigene Erfahrungen und Vorschläge zur Implementierung zu erläutern. Die Frage: „Wie unterstützen Sie den Implementierungsprozess?“ ist genauso sinnvoll, wie: „Was können Sie mir bieten?“ Das passende Angebot hängt immer von der Situation ab. Wenn dem Pflichtenheft eine Präsentation folgt, sollten Sie sich im Vorfeld informieren, was Ihnen genau demonstriert werden soll. Konzentrieren Sie sich dabei auf einen Prozess, der umgesetzt werden muss und nicht auf Features. Jeder Lieferant liebt es, tolle „Bilder“ zu zeigen, jedoch bringen Sie diese nicht an Ihr Ziel. Entscheidender ist, ob das Produkt Ihre Prozesse unterstützen kann; genaugenommen, wie effizient das passiert. Ergonomie ist wichtiger als schöne Bilder. Veranschaulichen Sie, wofür Sie bereit sind zu bezahlen. Selbstverständlich gehört ein Präsentationstag zum Verkaufsaufwand eines Lieferanten, wobei ein Workshop, der den Prozess Ihres Unternehmens in Miniatur simuliert und Einiges an Vorbereitungsaufwand erfordert, nicht immer gratis stattfinden kann. Der Nutzen eines solchen Workshops ist durchaus zweifelhaft. Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen bezahlten oder unbezahlten Workshop handelt, meist bringen diese Workshops mehr Fragen als Antworten mit sich. Sinnvoller und effektiver ist es, gemeinsam mit dem Lieferanten Ihres Vertrauens eine Implementierung unter Berücksichtigung eines möglichen Rücktrittsrechts zu beginnen.

4. Beschreiben Sie den Entscheidungsprozess in Ihrem Unternehmen

Führen Sie auf, welche Schritte bis zur endgültigen Entscheidung im Laufe des Entscheidungsprozesses zu durchlaufen sind. Teilen Sie bereits an dieser Stelle mit, innerhalb welchen Zeitraumes die Entscheidung gefällt wird und wer die Entscheidung trifft, bzw. genehmigen wird. Listen Sie alle am Entscheidungsprozess beteiligten Personen und deren Funktionen auf und vermerken Sie, ob der Lieferant mit diesen Personen Kontakt aufnehmen soll. Teilen Sie mit, welches Budget Sie für Ihre Investition bereitgestellt und für wann Sie die Investition geplant haben. Schließlich spricht nichts gegen eine Veröffentlichung aller Lieferanten, die das Pflichtenheft zur Beantwortung erhalten haben.

5. Sorgen Sie dafür, dass der Lieferant ein gutes Angebot machen kann

Das Pflichtenheft sollte in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. Somit können alle Fragen direkt in die Originalvorlage eingetippt werden. Für die Beantwortung des Pflichtenheftes sollten dem Lieferanten mindestens drei Wochen eingeräumt werden. Sie sollten Zeit einplanen, in der Sie eventuelle Rückfragen der Lieferanten zu Ihrem Pflichtenheft beantworten. Benennen Sie die Kontaktpersonen, die der Lieferant zur Beantwortung etwaiger Fragen kontaktieren kann. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es sinnvoll ist, im Rahmen der Pflichtenheftbeantwortung eine „Frage-und-Antwort-Session“ mit allen angeschriebenen Lieferanten durchzuführen. Sie stehen allen Spezialisten einmalig zur Verfügung und sparen somit Zeit. Für die konkurrierenden Lieferanten ist hiermit gewährleistet, dass jeder über den gleichen Wissensstand verfügt und Sie sparen sich damit den „Sales Talk“ der individuellen Anbieter.

Und zum Schluss

Achten Sie darauf, dass Ihr Pflichtenheft nicht zu umfangreich wird. Ein gutes Pflichtenheft sollte 20 Seiten nicht überschreiten!

Wir wünschen viel Erfolg !!!