EMAA fordert die Liberalisierung des Berufsrechts für Bilanzbuchhalter

20 Jahre European Management Accountants Association

Der Dachverband der Bilanzbuchhalter- und Controllerverbände in Europa EMAA (European Management Accountants Association e. V.) feiert Jubiläum und blickt auf 20 Jahre Sprachrohrfunktion zurück. 176.000 Mitglieder der nationalen Verbände und deren wirtschaftliche Kompetenz haben in der EMAA ihre berufspolitische Heimat. Die EMAA bietet Bilanzbuchhaltern, mit dem europaweit anerkannten EMA® – European Management Accountant das europäische Berufsbild der Zukunft.

Jedoch werden Buchhalter und Bilanzbuchhaltern im In- und Ausland weiterhin durch Gesetze, die gegen europäisches Recht verstoßen, in ihrer Berufsausübung behindert. Deshalb fordert  EMAA Präsident Uwe Jüttner die Liberalisierung des Berufsrechts in Europa und die Abschaffung der unzulässigen In- und Ausländerdiskriminierung. Das österreichische Bilanzbuchhaltergesetz ist ein beispielhaftes Vorbild für Europa. Dagegen haben Steuerberater Rechte, unter denen andere europäische Dienstleister leiden. Die EMAA fordert den Europäischen Gerichtshof auf zu handeln, denn der zunehmende Fachkräftemangel im Rechnungswesen und Controlling zwingt dazu.

 Ausländerdiskriminierung

Die EMAA möchte anhand eines Beispiels aufzeigen, welche Probleme ein Bilanzbuchhalter im Rahmen seiner selbstständigen Berufsausübung haben kann. Rudolf Gottbrecht aus Ismaning bei München ist Diplom-Betriebswirt (Fachhochschule), der sich an der Steuer- und Wirtschaftsakademie München im Bereich der Internationalen Rechnungslegung und im Internationalen Steuerrecht weitergebildet hat. Er ist außerdem seit Juni 2013 Geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK). Gottbrecht hat beim englischen ICB (Institute of Certified Bookkeeper) den Abschluss als Certified Bookkeeper (MICB) und die Zusatzausbildung Steuererklärung (Self Assessment Tax) erfolgreich absolviert. Damit darf er nach englischem Recht Einzelunternehmen, Partnerschaften und Limiteds buchhalterisch abschließen. Für Limiteds ist normalerweise die Prüfung als Wirtschaftsprüfer erforderlich, jedoch aufgrund der Micro Entity Act (Kleine Kapitalgesellschaften) ist diese Prüfung bis zu einer bestimmten Größenordnung nicht erforderlich. Um in England tätig sein zu dürfen, braucht man eine Geschäftslizenz. Diese wird nur erteilt, wenn bestimmte Ausbildungserfordernisse (mindestens Associate für Einzelunternehmen) und eine Vermögenschadenshaftpflichtversicherung abgeschlossen wird. Gottbrecht hat inzwischen in England eine Limited gegründet und angemeldet.

Um in Deutschland als „Engländer“ oder sagen wir besser als „Ausländer“ tätig werden zu können, ist gemäß § 3a StBerG – Steuerberatungsgesetz bei der Steuerberaterkammer Niedersachsen eine Registrierung erforderlich. Dann dürfen „vorübergehend und gelegentlich“ Hilfeleistungen in Steuersachen in Deutschland erbracht werden. Diese Einschränkung „vorübergehend und gelegentlich“ hält die EMAA für eine unzulässige Diskriminierung eines Ausländers, die zudem gegen EU-Recht verstößt. Die EMAA fordert daher, diese Einschränkung ersatzlos aufzuheben.

Freie Berufsausübung für Ausländer

Ein selbstständiger Bilanzbuchhalter in Deutschland ist zu den gleichen Handreichungen berechtigt, wie eine Friseurin, die einen Buchhaltungsservice aufbaut, obwohl sie dazu überhaupt keine Qualifikation hat. Ein englischer Buchhalter darf nur mit einer Geschäftslizenz seine Dienstleistungen anbieten und diese Lizenz ist noch dazu gestaffelt nach dem Qualifikationsstand. Gottbrecht verfügt nun über die Befugnisse, die sich nach dem Niederlassungsstaat, in seinem Fall England, richten. Seine englische Lizenz beinhaltet das Recht Steuererklärungen zu erstellen. Diese Befugnisse müssten ihm nun auch das Recht geben, in Deutschland Buchhaltungen nebst Abschluss für Einzel-, Personen- und kleinen Kapitalgesellschaften anbieten zu dürfen. Wir fordern daher den Europäischen Gerichtshof auf, Ausländern eine freie Berufsausübung gemäß ihrer Qualifikation, die sie im Ausland erworben haben, zu erlauben.

Fachkräftemangel fordert zum Handeln auf

Die Probleme in Deutschland sind die Rechte der Steuerberater, unter denen auch andere europäische Dienstleister leiden, so beispielsweise eine niederländische Steuerberatungsgesellschaft, die jetzt den Europäischen Gerichtshof angerufen hat. Der zunehmende Fachkräftemangel im Rechnungswesen und Controlling erfordert es, dass auch ausländische Fachkräfte in Deutschland ihrer Qualifikation entsprechend tätig sein dürfen und können und sich nicht erst umfangreiche Berechtigung aneignen müssen, über die sie im Grunde schon längst verfügen.

Deutsche Gesetze diskriminieren Bilanzbuchhalter

Zum allgemeinen Verständnis: Buchhalter dürfen laufende Buchungen, zum Beispiel von Bankkonten, in die Rubriken eintragen, die die Kosten eines Unternehmens ausweisen. Sie dürfen sogar die Umsatzsteuer ausweisen. Aber sie dürfen diese Konten dann nicht mehr addieren. Und sie dürfen diese Tätigkeit nicht als Buchhaltung bezeichnen – aber nur, wenn sie selbstständig sind. Angestellte Buchhalter dürfen sich Buchhalter, bzw. Bilanzbuchhalter nennen.

Profiteure sind die in den öffentlich-rechtlichen Kammern organisierten Steuerberater. Für die Bundessteuerberaterkammer ist das in Ordnung: „Jeder Beruf hat das Recht, auch nach Regelungen zu suchen, die seinen Mitgliedern nützen.“ Weil das so ist, sorgen die Steuerberaterkammern dafür, dass die Buchhalter weiterhin per Gesetz geknebelt werden.

Verstoß gegen das Europäische Recht

Ein deutscher Bilanzbuchhalter zu seiner Situation: „Jetzt darf ich wohl bald gar nichts mehr! Weil die letzte Klage mir auch noch sagt, dass ich das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, laufende monatliche Buchführung, laufende monatliche Lohnbuchführung auch nicht mehr machen darf.“ Um aber das ganze Ausmaß der deutschen Posse um den Buchhalter zu erfassen, müssen wir Deutschland verlassen: In ganz Europa gibt es nämlich nichts dergleichen. Deswegen verstößt die Verfolgung der Buchhalter durch die Steuerberater gegen Europäisches Recht.

Inländerdiskriminierung

Das hat ein weiterer Bilanzbuchhalter taktisch klug genutzt. In Luxemburg, durch die Grenze vom deutschen Sonderweg geschützt, hat er ein Buchhaltungs- und Wirtschaftsberatungsbüro mit rund 300 Mandanten aufgebaut. Unglaublich, aber wahr: Er darf uneingeschränkt auch in Deutschland arbeiten. Denn ausländische Buchhalter dürfen in Deutschland nicht an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert werden. Deutsche Gesetze und Gerichte dürfen nur Deutsche mit deutschem Wohnort diskriminieren.

Bessere Bedingungen für österreichische Bilanzbuchhalter und Inländerdiskriminierung für Deutsche

Noch krasser wird das Bild, wenn der Blick auf Österreich gerichtet wird. Udo Binias, Ehrenpräsident des BVBC und Beirat der EMAA, weist darauf hin, dass die deutsche Bilanzbuchhalterprüfung tendenziell inhaltsschwerer ist als die österreichische – mit dem Ergebnis, dass die dortigen Bilanzbuchhalter als „kleine Steuerberater“ deutlich mehr Befugnisse als ihre Kollegen haben.

Allein Steuerberatung bleibt den Steuerberatern vorbehalten. Und selbst den weniger qualifizierten Buchhaltern stehen mehr Befugnisse zu als den geprüften Bilanzbuchhaltern in Deutschland.

Dienstleistungsfreiheit nützt Österreichern

Nachdem EU-rechtlich die nationalen Befugnisse maßgeblich sind und zugleich die Dienstleistungsfreiheit herrscht, dürfen österreichische Bilanzbuchhalter in Deutschland z. B. Jahresabschlüsse erstellen.

„Möchte hingegen ein deutscher Bilanzbuchhalter in Österreich tätig werden und mit den gleichen Berufsrechten wie sein österreichisches Pendant ausgestattet werden, muss er die österreichische Berufsberechtigung nach dem Bilanzbuchhaltergesetz erwerben. Dagegen besitzt der österreichische Bilanzbuchhalter der sich im Rahmen der Richtlinie in Deutschland anbietet, erheblich mehr Berufsrechte“, so die Aussage von Dr. Friedrich Bock aus Wien.

EMAA fordert die Liberalisierung des Berufsrechts

Nur über den Weg des Europarechts kann für Bilanzbuchhalter mehr erreicht werden. Denn viele halten die deutschen berufsrechtlichen Restriktionen für europarechtswidrig. Reformwille ist in Deutschland nicht zu spüren. Die Steuerberaterlobby hält nach wie vor den Daumen drauf und verhindert eine spürbare Weiterentwicklung. Daher fordert die EMAA eine baldmögliche Liberalisierung des Berufsrechts, damit Inländer, wie auch Ausländer ihrer Qualifikation entsprechend in ganz Europa tätig werden dürfen. Das österreichische Bilanzbuchhaltergesetz muss als Vorbild für andere europäische Staaten dienen, denn wir wollen nicht nur vom europäischen Geist sprechen, sondern ihn auch spüren.