EU stützt Forderungen und Argumente des BVBC : Umsatzsteuervoranmeldung ist keine Vorbehaltsaufgabe

Bilanzbuchhalter lassen nicht locker sagt BVBC-Geschäftsführer Markus Kessel

Der BVBC hatte sich nach dem Bekanntwerden des Vertragsverletzungsverfahrens mehrfach mit Eingaben und Stellungsnahmen gegenüber der EU eingebracht und parallel Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium geführt, um auch auf nationaler Ebene eine Neuregelung des Steuerberatungsgesetzes weiter zu forcieren. Das Gesamtbild, das nun Stück für Stück ersichtlich wird, zeigt, dass die seitens des Ministeriums auf die nationale Sachlage beschränkten Gespräche und Diskussionen, reine Fassade waren. Im Hintergrund wurde mit Hochdruck die gesamte Zeit an der Abwehr des Vertragsverletzungsverfahrens zu Gunsten der Steuerberater*innen gearbeitet. Ich nenne das Klientelpolitik auf höchstem Niveau.

Das Resultat der Hörigkeit des Finanzministeriums gegenüber den Steuerberater*innen kann man in der vermutlich letzten Stellungnahme an die EU-Kommission seitens der Bundessteuerberaterkammer und des Steuerberaterverbandes vom 28. Januar 2021 lesen. Warum es sich dabei wahrscheinlich um die letzte Eingabe handelt: DStV-Präsident Harald Elster hat bereits verlautbaren lassen, dass es besser sein wird, den Streit vor dem europäischen Gerichtshof weiterzuführen, sollte die EU-Kommission voniIhren Ansichten nicht zurücktreten.

Die inhaltliche Wertung der Stellungnahme sollte nun auch dem Letzten die Augen öffnen: Das Finanzministerium schützt zum Schaden der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland die Privilegien der Steuerberater*innen. Das wird auch ganz aktuell auch bei der Beantragung der Corona-Hilfen offensichtlich. Denn auch hier werden Bilanzbuchhalter*innen nicht als antragsberechtigte Instanzen aufgeführt und dem BVBC als vertretenden Berufsverband werden sämtliche Rückmeldungen gegenüber seinen Forderungen verweigert. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden dabei offensichtlich bedenkenlos in Kauf genommen.

Die deutschen Steuerberater*innen als Organ der Steuerrechtspflege und die damit verbundene Verantwortung für Wirtschaft und Gemeinwohl werden in der letztgenannten Stellungnahme als eines der Hauptargumente angeführt. Zur Erinnerung: Dieser Status wurde erst nach der Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens durch das Bundesfinanzministerium befürwortet und verabschiedet.

Bereits die Einleitung der Stellungnahme verärgert mich persönlich:

„Sehr geehrte Frau Präsidentin, während die Gesundheitsberufe in Europa derzeit aufopferungsvoll um Leben und Gesundheit vieler Bürgerinnen und Bürger ringen, setzen sich die Steuerberaterinnen und Steuerberater in Deutschland mit demselben Engagement dafür ein, die negativen Folgen für die schwer gebeutelte mittelständische Wirtschaft abzuwenden.“

Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten hat der deutsche Gesetzgeber die Steuerberater als gesetzliche Compliance-Instanz fest in das Corona-Konjunkturprogramm eingebunden. Die Antragstellung auf staatliche Überbrückungshilfen für Gastronomen, Einzelhändler und viele andere Unternehmen erfolgt dadurch ganz überwiegend durch die Steuerberater.“

Die Wahrheit ist, dass das Finanzministerium alle Hilfeangebote und Appelle des BVBC Selbstständige Bilanzbuchhalter*innen als antragsberechtigte Instanzen für die Corona-Überbrückungshilfen zuzulassen ignoriert. Die Forderungen, die wir gemeinsam mit dem Verband der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW) eingebracht haben, werden noch nicht einmal diskutiert.

Die Ignoranz sorgt dafür, dass die Steuerberater*innen an Arbeit ersticken, der Antragsprozess durch bewusste Verknappung verlangsamt wird und die Lage für die hilfesuchenden Unternehmen mehr als existenzbedrohend ist. Und wofür? Damit sich am Ende Behörden und Steuerberater*innen im Schulterschluss gegenseitig für ihre Systemrelevanz und ihren aufopferungsvollen Dienst am Gemeinwohl beglückwünschen können?

Das Finanzministerium nimmt dabei billigend in Kauf, dass die Unternehmenslandschaft in Deutschland nach der Pandemie zu zerbrechen droht. Obwohl man gewusst hat, dass man es besser hätte regeln können. Ich möchte nicht so vermessen sein, dass dies alles vorsätzlich so gehandhabt wird, um langfristig auch seitens der EU-Kommission in Ruhe gelassen zu werden, aber es erscheint als einkalkulierter Nebeneffekt der in den Gesprächen zwischen Ministerium und Steuerberaterkammer und -verband nicht unerwähnt blieb.

Warum wird die Umsatzsteuervoranmeldung zu solch einem Politikum?

Doch trotz aller vermeintlichen Klarheit über die Schachzüge, geschickt eingefädelten Schutzmechanismen des Gesetzgebers zu Gunsten der Steuerberater*innen und der an den Tag gelegten Theatralik gegenüber der EU-Kommission, bleibt bei mir die Frage nach dem „Warum“. Wie kann der Erhalt der Umsatzsteuervoranmeldung als Vorbehaltsaufgabe zu einem solchem Politikum werden?

Wenn man aber im Hinterkopf hat, dass die Durchschnittskanzlei in Deutschland mehr als ein Viertel ihres Umsatzes im Rechnungswesen erwirtschaftet, ist es verständlich, dass die Lobby der Steuerberater*innen alles zum Erhalt dieses Standards initiieren wird. Solange Finanzministerium und Gerichte die sachlichen Argumente regelmäßig vom Tisch wischen – der eine kratzt dem anderen kein Auge aus – wird das vermutlich auch weiterhin funktionieren.

Aus der Praxis heraus bleibt für mich dann aber nur ein Fazit: Verbietet den selbstständigen Bilanzbuchhalter*innen das Verbuchen der laufenden Geschäftsvorfälle – was wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1980 feststellte, verfassungswidrig wäre – oder erlaubt die Erstellung und Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung. Alles andere ist inkohärent und unverhältnismäßig – und ich danke der EU-Kommission, dass sie es genauso sieht.

Der BVBC hat am 12. Februar eine Stellungnahme an die EU-Kommission versandt, die von zahlreichen Partnerverbänden mitgezeichnet wurde. Erfahren Sie hier mehr dazu.